Jürgen Amann, Trainer des Bundesligateams, zieht nach etwas mehr als der Hälfte der Saison ein erfreuliches Fazit
Jürgen, für den IHC Atting ist die Hälfte der Saison schon vorbei. Wie fällt das Fazit bisher aus?
Jürgen Amann: „Definitiv sehr positiv! Dass wir nach elf Spielen so gut dastehen würden, konnte man absolut nicht erwarten. Was die Jungs da bisher leisten, ist enorm. Zur Verdeutlichung: Wir hatten vor der Saison mit Thomas Bauer und Christoph Wittenzellner zwei langjährige Spieler und Leistungsträger verloren, die wir zunächst nicht ersetzen konnten, da die geplanten Neuzugänge – trotz vorheriger Zusagen – nicht realisiert werden konnten. Auch dass Tim Bernhard bisher nur zwei Spiele spielen konnte, war anders geplant. Sprich, nominell waren wir als Aufsteiger sogar zunächst schwächer besetzt als letztes Jahr. Trotzdem konnte das Team das Niveau relativ schnell steigern, sich aklimatisieren und mit tollem Teamgeist und Willen die bisherigen Erfolge einfahren. Dass wir zuletzt nun mit Rene Röthke und Marcel Brandt doch noch richtige Verstärkungen hinzubekommen haben hilft natürlich ungemein und wir hoffen dass beide noch das ein oder andere Spiel mithelfen können, unser Ziel zu erreichen. Die Entscheidung, das Abenteuer 1. Bundesliga trotz mancher Unsicherheit zu wagen, war jedenfalls die richtige. So viel lässt sich schon sagen.“
Bemerkenswert ist der Heim-/Auswärtsvergleich: 100 Prozent der Punkte wurden in der eigenen Halle geholt, 0 Prozent auswärts. Wie kommt das zustande?
Amann: „Bemerkenswert finde ich hier lediglich, dass wir als Aufsteiger diese Heimbilanz überhaupt vorweisen können und wir unter anderem schon den amtierenden Meister Kaarst und den aktuellen Tabellenführer Krefeld) schlagen konnten. Das Team hat hier bisher tollen Sport geboten. Dass es im ersten Jahr für uns auswärts sehr schwierig werden würde, war uns bewusst und ist daher weniger überraschend.“
Wo liegen auswärts die Probleme?
Amann: „Das hat mehrere Gründe. Zum einen sportartspezifisch mit den unterschiedlichen Gegebenheiten in den Hallen wie Böden, Größe, Banden. Zum anderen ist das Niveau für viele Spieler komplett Neuland. Zum Start in Essen und Duisburg hatten sich die Jungs noch von Härte und Geschwindigkeit beeindrucken lassen. Kaarst ist spielerisch zu Hause einfach nochmals eine andere Liga. In Krefeld und Köln waren wir eigentlich lange im Spiel, hier mussten wir am Ende letztlich kräftemäßig auch dem Doppelspieltag Tribut zollen. Einzig das Ergebnis in Düsseldorf war in dieser klaren Form vielleicht enttäuschend, aber auch solche Tage gibt es. Die Doppelspieltage sind hier sicher noch ein Thema, zweimal innerhalb von 24 Stunden auf diesem Niveau zu spielen, ist definitiv nicht einfach. Hier fehlt es uns einfach auch noch an Konstanz und Kompaktheit.
Was klappt zuhause besser als auswärts?
Amann: „Natürlich haben auch wir mit unserer Halle gewisse Gegebenheiten, auf die sich die Gegner erst einstellen müssen. Das Team hat zudem zuhause einfach eine gewisse Sicherheit und kann ihre Stärken viel besser ausspielen. Zudem helfen uns auch unsere Fans, wenn diese lautstark anfeuern.“
Was war das Highlight der bisherigen Saison?
Amann: „Nun, dass wir jetzt wieder zu den besten zehn Teams in Deutschland gehören, hat für mich nach all der harten Arbeit innerhalb des Vereins in den letzten Jahren schon Hightlightpotenzial genug. Dass wir das erreicht haben, ist dem Herzblut aller Beteiligen im Verein zu verdanken. Spieletechnisch gesehen muss ich sicher das Spiel gegen Krefeld nennen. So ein Spiel mit diesem Verlauf ist eine Ausnahme und die Emotionen, die am Ende freigesetzt wurden, sind dann auch eine Art Belohnung für die ganze Arbeit, die man im Jahr investiert. Über dieses Spiel werden wir sicher in vielen Jahren noch sprechen.“
Du hast vor der Saison von Schritten gesprochen: Wo hat sich das Team schon weiterentwickelt, wo gibt es noch Defizite?
Amann: „Ich denke, das Team lernt insgesamt schon schnell. In puncto Zweikämpfe und Handlungsschnelligkeit haben wir bereits zugelegt. Aber genau das sind auch noch die Punkte, in denen wir unbedingt weiterhin zulegen müssen. Speziell bei der Zweikampfführung müssen wir noch stabiler werden. In der Zweiten Liga konnten wir vieles mit unseren läuferischen Fähigkeiten und Schnelligkeit lösen. Dies funktioniert aber in dieser Liga nicht mehr so und man muss viel mehr mit und gegen den Körper des Gegners arbeiten. Auch müssen wir noch besser das Spiel des Gegner lesen und uns schneller auf manche Spielsituationen einstellen. Genauso wie beim Torabschluss, dieser muss oft noch viel schneller erfolgen.“
Wie haben sich gerade die jungen Spieler aus deiner Sicht entwickelt?
Amann: „Die Jungen halten definitiv Schritt mit der allgemeinen Entwicklung. Ich bin da sehr zufrieden bisher. Die größte Herausforderung ist sicher, das hohe Level konstant abzurufen, aber auch mit negativen Ergebnissen umgehen zu können. Viele der Jungs sind ja von den letzten Jahren her doch eher erfolgsverwöhnt und es ist eine neue Situation, wenn man mal plötzlich vier oder fünf Spiele hintereinander verliert oder man mal nicht ins Tor trifft. Aber genau da ist es wichtig, sich von diesen Dingen nicht unterkriegen zu lassen und sich auch bewusst zu machen, dass man gegen die besten Spieler in Deutschland spielt und man selbst mithalten kann.“
Wie sehen die Ziele für die zweite Saisonhälfte aus? Wie viele Punkte werden deiner Meinung nach zum Nichtabstieg benötigt?
Amann: „Ziel bleibt bei aller Euphorie weiterhin ganz klar der Klassenerhalt. Hierzu haben wir uns intern als Aufsteiger mit 21 Punkten ohnehin schon eine sehr hohe Messlatte gelegt. Und bei dieser bleiben wir auch. Aktuell sieht es sicher ganz gut aus, wir lassen uns aber davon nicht blenden, dafür sind noch zu viele Spiele zu spielen und es kommen ja noch einige richtige Kaliber auf uns zu.“
Wie ist die Bundesliga generell vom Leistungsniveau in dieser Saison zu sehen?
Amann: „Sehr stark. Der Leistungsunterschied zu Liga Zwei ist wie erwartet immens. Speziell auswärts bekommen wir das ja deutlich zu spüren. Es gibt quasi keinen leichten Gegner oder Kanonenfutter. Selbst Augsburg mit aktuell noch 0 Punkten darf man keinesfalls unterschätzen. Die hatten einfach auch ein paar Mal Pech bisher. Es sind halt auf diesem Niveau oft Kleinigkeiten oder die Tagesform, die das Spiel entscheiden. Wir müssen jedenfalls in jedem Spiel 100 Prozent abrufen, um eine Chance haben zu können. Aber genau das macht den Reiz aus und es macht viel Spaß sich mit den Besten zu messen und wieder ein Teil davon zu sein.“
Interview: Michael Bauer, Foto: Harry Schindler