Jürgen Amann betreut am Wochenende das österreichische Skaterhockey-Nationalteam bei der Europameisterschaft in Kroatien
Das Wort Bundestrainer ruft in unseren Breiten automatisch Assoziatonen mit Jogi Löw hervor, dem Mann, der Deutschland 2014 den wichtigsten Sporttitel überhaupt bescherte, für viele vielleicht die „höchste“ Person im Lande ist. Vielleicht hat Jürgen Amann, zuletzt Interimstrainer beim IHC Atting, in Österreich deshalb nicht diesen Titel. Denn der Mann, der Österreich bei der Skaterhockey-EM am Wochenende in Kroatien betreut, sieht sich mehr als Entwicklungshelfer in einer Randsportart.
„Eigentlich ist das hier ja dann mehr eine Rand-Randsportart, wenn man sagt, dass Skaterhockey in Deutschland schon Randsportart ist“, sagt Amann, der zu Beginn dieser Saison das Angebot der ISHA (Inline-Skaterhockey Austria) als Nationalteamtrainer – so die richtige Bezeichnung – angenommen hat. „Die Verhältnisse, die wir in Deutschland gewohnt sind, gibts in Europa nur noch in der Schweiz. In Österreich ist vieles anders.“
Anders, das heißt, dass es in Österreich nur drei echte Skaterhockeyhallen gibt – in Salzburg, Stegersbach und Wolfurt. Nicht mal in Wien gibt es derzeit eine. „Immerhin das kenne ich schon aus Atting“, sagt er sarkastisch über die Hallenprobleme beim Bundesligisten. „Ansonsten ist das in Deutschland mehr als eine Stufe höher – ich hab zum Beispiel nach dem ersten Training erstmal einen Satz neue Trikots mit dem Bundesadler organisieren lassen.“ Atting diente hier als Vorbild.
Meist wird in Österreich auf Freiplätzen gespielt, auf denen ein ganz anderes Spiel existiert und mit weichem Ball gespielt werden muss. Die Saison dauerte bis 2015 deshalb auch nur vier Monate, auch die Nachwuchsligen sind nicht so stark besetzt. Auch wenn die U19 zuletzt bei der EM Dritter wurde, waren sie doch weit entfernt von den großen Nationen Deutschland und Schweiz.
„Man muss auch mal sehen, dass man in Deutschland 80 Millionen Einwohner hat, hier hat man acht Millionen“, sagt Amann. „Kann man bei uns aus 150 Spielern für den Kader auswählen, sind es in Österreich vielleicht 50, in Deutschland spielen zwölf Teams in der 1. Liga, in Österreich fünf. Über viele Sachen, über die wir uns in Deutschland aufregen, würde man sich hier freuen.“
Anders heißt auch, dass er in der Kommunikation viel dazulernen musste: „Ein Ja für die Nationalmannschaft heißt hier nicht unbedingt noch zwei Monate später ja.“ Die Entfernung spielt ein Problem. Auch, dass die Spieler Eigenbeteiligung leisten müssen, um zu Lehrgängen und zur EM zu fahren. Heißt für Amann: „Ich muss die Spieler begeistern.“ Dass er das kann, hat er bei seinen zahlreichen Titeln mit den Attingern im Nachwuchs- und Herrenbereich gezeigt.
Drei Lehrgänge hat er als Vorbereitung auf die EM abgehalten, dazu alle Teams gescoutet und besucht und schließlich den Kader zusammengestellt. Stichwort Kommunikation auch hier: Denn er musste feststellen, dass es nicht so einfach ist, den Wiener mit dem Salzburger oder den Linzer zusammenzubringen. Diese Vorbehalte habe er aber in Teambuildingmaßnahmen brechen können.
16 Spieler und zwei Torhüter hat er nominiert – so viele wie zuletzt nicht zu großen Turnieren fuhren. Auch das musste er im Vorfeld überrascht feststellen. Auch wenn er Absagen aus privaten und eishockeytechnischen Gründen (auch in Österreich spielen viele Spieler auf dem Eis) erhielt, sei das Interesse diesmal groß gewesen. „Wir haben eine Videoanalyse gemacht und versucht, das Aufbauspiel, Forechecking und das Mann-gegen-Mann an das internationale Spiel anzupassen.“
Seit Donnerstag ist er in Kroatien. Ein Training gibt es vor dem Turnier noch, dann ein Manager Meeting und am Freitagmorgen geht es los. Österreich spielt in Gruppe B gegen Dänemark, die Schweiz und die Gastgeber. Turnierfavorit Deutschland, das diesmal keine Spieler des IHC Atting nominiert hat, in Gruppe A gegen die Ukraine, die Niederlande und Großbritannien. Am Samstag gibt es eine Zwischenrunde, am Sonntag erfolgt dann die Finalrunde.
Dass er auf wenige Monate seit April die Skaterhockeywelt in Österreich nicht komplett verändern könne, weiß Amann. „Dazu muss sich erst die Liga verbessern, der Nachwuchs wieder breiter werden. Aber da hat sich zuletzt einiges getan.“ Ein Anfang sei die Verlängerung der Saison gewesen, so dass sich die Spieler noch im Spielmodus befänden.
Für die EM gibt er kleine Ziele aus. „Die letzten beiden Male waren wir Letzter und wurden zum Teil richtig abgeschossen. Wir wollen uns nun Schritt für Schritt verbessern und mit dem ersten wollen wir weg vom letzten Platz und die Lücke zu den Top-Teams wieder verkleinern.“ Erste Tendenzen dazu hat er schon wahrgenommen. „Die Leute im Verband machen das mit viel Enthusiasmus, die Spieler sind fleißig, motiviert und nehmen Dinge an.“ Das ist der ein Grund, warum ihm seine Arbeit als Randsportart-Entwicklungshelfer derzeit so viel Spaß macht und er mit einem „positiven Gefühl“ nach Kroatien fährt.
Text: Michael Bauer, Foto: ISHA